Bolkesteins Hammer schlägt wieder zu
Still und heimlich untergräbt die EU-Dienstleistungsrichtlinie die Daseinsvorsorge. Im Dienst der Konzerne will die EU sie jetzt sogar noch verschärfen. Das vorliegende Hintergrundpapier analysiert die Wirkungsweise dieser Richtlinie, mögliche Folgen ihrer geplanten Verschärfung sowie Vorschläge für den Schutz öffentlicher Dienstleistungen gegen die Eingriffe der EU.
Von Jana Mattert und Thomas Fritz (Attac, AG Privatisierung)
- März 2019
Mit der Dienstleistungsrichtlinie sollte ein Traum der Marktradikalen Wirklichkeit werden: die EU-weite Beseitigung sozialer Errungenschaften und die Schrumpfung der Wohlfahrtsstaaten zu Nachtwächterstaaten. Den ersten Entwurf präsentierte Anfang 2004 der damalige EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein, ein niederländischer Politiker und Mitglied der neoliberalen Mont Pèlerin Society. Gewerkschaften und soziale Bewegungen wie Attac waren entsetzt und leisteten grenzüberschreitenden Widerstand gegen den „Bolkestein-Hammer“. Doch vergeblich: Im November 2006 segnete das Europaparlament mit den Stimmen von SozialdemokratInnen, Liberalen und Konservativen die Bolkestein-Richtlinie in zweiter Lesung ab, während Grüne und Linke dagegen votierten. Am 28. Dezember 2009 trat sie schließlich in Kraft (s. Richtlinie 2006/123/EG).
Zwar gelang es durch den Widerstand, dem ursprünglichen Entwurf der Bolkestein-Richtlinie einige wenige Zähne zu ziehen. Doch nach dem Inkrafttreten der Richtlinie wurden Wirtschaftsverbände nicht müde, weitere Verschärfungen zu fordern. Mit Erfolg: Im Januar 2017 veröffentlichte die EU-Kommission den Entwurf einer sogenannten Notifizierungsrichtlinie, die die Bolkestein-Richtlinie massiv verschärfen soll. Der Entwurf befindet sich zur Zeit im sogenannten Trilogverfahren, das heißt Kommission, Europäischer Rat und Europaparlament beraten unter Ausschluss der Öffentlichkeit über seine Modifizierung und mögliche Annahme.
Nach fast zehn Jahren ihrer Anwendung lohnt ein Blick darauf, wie die Bolkestein-Richtlinie in der Praxis funktioniert. Es zeichnet sich dabei immer deutlicher ab, wie die Richtlinie der öffentlichen Daseinsvorsorge schadet und welche Folgen ihre Verschärfung nach sich ziehen könnte.
Download des Hintergrundtextes zur Bolkestein-Richtlinie
(Mit freundlicher Genehmigung von attac.)